Letzter Platz: Das Ende für Turbine Potsdam mit der ersten Liga?

Turbine Potsdam galt lange Zeit als das Nonplusultra im deutschen Frauenfußball. Die letzten Jahre haben sportlich aber nicht mehr die ganz großen Erfolge gebracht. Das Scheitern an der Women’s Champions League Qualifikation im vergangenen Jahr hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Ein sportlicher Umbruch sollte endlich wieder ganz große Erfolge mit sich bringen.

Nur leider brachte dieser Umbruch mehr Unheil als Erfolg, das Team findet sich in der Bundesliga auf dem letzten Platz wieder und ist von sportlichen Erfolgen weit entfernt. Auch hinter den Kulissen brodelt es in Potsdam gewaltig. Bereits jetzt sehen die Buchmacher für Sportwetten das Team mit großer Wahrscheinlichkeit als Absteiger. Aber die Saison ist erst bei der Hälfte und noch scheint alles möglich.

Bittere Realität nach der Hinrunde

Turbine Potsdam sieht sich mit einer bitteren Realität konfrontiert. Nach jahrelangen Erfolgserlebnissen steht die Mannschaft derzeit auf dem letzten Platz der Frauen-Bundesliga in Deutschland und müsste sich somit erstmals aus der höchsten Spielklasse verabschieden. Neun Niederlagen stehen keinem Sieg und einem Unentschieden entgegen. Das Team konnte nur fünf Tore erzielen, musste den Ball aber 28-mal aus dem eigenen Tor fischen.

Schuld an der Krise sind Zerwürfnisse hinter den Kulissen sowie ein großer Kaderumbruch. Der langjährige Präsident von Turbine Potsdam, Rolf Kutzmutz, ist nach Streitigkeiten über die Entlassung von Cheftrainer Sofian Chahed zurückgetreten. Damit musste vor Saisonbeginn eine Präsidiumswahl ausgerufen werden. Nicht wirklich überzeugend war jedoch Neo-Coach Sebastian Middeke und sorgte für einen schlechten Saisonstart.

Das Ruder übernahm dann Dirk Heinrichs. Doch seit dessen Antritt Ende Oktober läuft es für Turbine Potsdam nicht wirklich besser. Der sportliche Verfall der Mannschaft ist bemerkenswert. Denn noch zum Ende der letzten Saison kämpfte man in Potsdam um eine Teilnahme an der Champions League.

Zwar waren Schwierigkeiten zum Saisonstart zu erwarten, mit diesem Ausmaß hätte aber niemand gerechnet. Die 13 Neuzugänge und 14 Abgänge waren für den Traditionsverein aber scheinbar doch zu viel des Guten.

Eine glorreiche Vergangenheit

Turbine Potsdam ist der erfolgreichste Verein im deutschen Frauenfußball und blickt daher auf eine besonders glorreiche Vergangenheit zurück. Das Team konnte sich zwischen 2004 und 2012 sechsmal zum deutschen Meister krönen und zwischen 2004 und 2006 dreimal in Folge deutscher Pokalsieger werden. Die größten Erfolge gelangen 2005 und 2010, als Potsdam die UEFA Women’s Champions League bzw. den UEFA Women’s Cup für sich entscheiden konnte.

Im Jahr 2011 konnte Turbine Potsdam mit Fatmire Bajramaj die Fußballerin des Jahres stellen. Das Team wurde zudem neunmal als Brandenburgs Mannschaft des Jahres ausgezeichnet. In der ewigen Frauen-Bundesligatabelle liegt der 1. FFC Turbine Potsdam auf Rang 2. Seit der Saison 2012 blieben die ganz großen Erfolge aber aus. Erfolgreiche Spielerinnen und Stützen des Vereins sind abgewandert und haben eine Lücke hinterlassen, die bis heute nicht wieder gefüllt werden konnte.

Die letzten drei Jahre musste sich Potsdam mit dem vierten Rang in der Bundesliga zufriedengeben und daher auf eine Teilnahme an der UEFA Women’s Champions League verzichten. Die Abstände zum dritten Platz waren dabei mal mehr, mal weniger groß.

So musste man nicht nur international, sondern auch in Deutschland einen Rückschritt hinnehmen. Mit dem Abgang wichtiger Spielerinnen verlor der Kader an wichtiger Qualität. Die letzten Jahre haben bereits Wolfsburg und Bayern in der Liga dominiert.

Missglückter Neustart als sportliche Katastrophe

Bei Turbine Potsdam hat man klar kommuniziert, dass es einen sportlichen Neustart benötigt, um zu alter Stärke zurückfinden und den Frauenfußball in Deutschland und Europa dominieren zu können. Insgesamt 27 Transferbewegungen haben für einen Ligarekord gesorgt. Getrennt hat man sich unter anderem von den Torgarantinnen Selina Cerci und Melissa Kössler. Beide wechselten innerhalb der Liga zur Konkurrenz.

Für Tore hätten in diesem Jahr eigentlich Amber Barrett und Laura Radke sorgen sollen. Während Barrett bereits in der Frauen-Bundesliga tätig war, kam Radke aus der Regionalliga West. Mit 16 Toren in 28 Partien sollte sie die neue Hoffnungsträgerin im Angriff sein. Eine weitere neue Stütze hätte auch die 18-jährige Noa Selimhodzic werden sollen. Die Israelin lief die Saison beim AC Mailand auf und hat das Interesse von Potsdam geweckt.

Das Problem beim sportlichen Umbruch war, dass vor allem junge Talente geholt wurden, die dann umgehend die Position von erfahrenen und spielstarken Spielerinnen besetzen sollten. Eine Rechnung, die nach der Hinrunde nicht aufgegangen ist. Der junge Kader hat an individueller Klasse verloren und nach wie vor Schwierigkeiten, sich aufeinander abzustimmen.

Ein Abstieg in die zweite Liga wäre für Potsdam eine sportliche Katastrophe. Der Verein müsste erstmals den Abstieg antreten. Fraglich wäre dabei, ob die vielen geholten Spielerinnen dem Verein treu bleiben würden. Zudem könnten Stammspielerinnen mit viel Erfahrung abwandern und eine noch größere Lücke im Kader mit sich bringen.

Kann das Ruder herumgerissen werden?

Nach der Hinrunde bleibt in Potsdam eigentlich nur noch wenig Hoffnung. Denn aus der Frauen-Bundesliga gibt es zwei direkte Absteiger. Nur Bremen spielt eine ähnlich schlechte Saison wie der 1. FFC Turbine Potsdam. Das Vorbeiziehen an Bremen allein würde aber nicht ausreichen, um den Klassenerhalt zu sichern.

Potsdam liegt aktuell neun Punkte hinter dem rettenden Platz 10. Eine Aufholjagd ist aufgrund der bisher schlechten Leistungen und der Personalnot nicht wirklich in Sicht. Die Potsdamerinnen bräuchten schon ein Fußballwunder, um den Klassenerhalt sichern zu können.

Wer soll die Wende herbeiführen?

Nach wie vor ist die Trainerfrage in Potsdam nicht geklärt. Sebastian Middeke konnte bislang keine Erfolge vorweisen und gilt als keine Zukunftsoption. Aufgrund der schlechten Ausgangslage ist der Trainerstuhl vielen infrage kommenden Cheftrainern wohl zu heiß. Richten soll es nun ein alter Bekannter. Sven Weigang verstärkt seit November den Trainerstab und ist in beratender Funktion tätig.

Weigang war bereits zwischen 2012 und 2017 bei Potsdam tätig, trainierte aber damals die B-Mannschaft der Mädchen. Dabei gelang ihm zweimal der Meisterschaftsgewinn. Weigang verfügt im Gegensatz zum aktuellen Cheftrainer über die A-Lizenz und soll etwas Ordnung in das Chaos bringen.

Es ist fraglich, inwieweit Sven Weigang das Team in der jetzigen Situation noch unterstützen kann, genauer gesagt, ob sein Engagement noch früh genug Früchte trägt. Denn mit dem Beginn der Rückrunde naht das Saisonende in großen Schritten.

Quelle: https://unsplash.com/photos/Rrcyop6jvDA

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